Hinweise zum Regelbeurteilungsstichtag 01.06.2020 im Bereich der Polizei der NRW
Zugleich ein Ausblick auf die neue BRL Pol
Zum 01.06.2020 erhalten die Polizeivollzugsbeamten des Landes NRW neue Regelbeurteilungen. Dabei hat das OVG NRW jüngst bestätigt, dass die Regelbeurteilungsrunde 2017 unter einem strukturellen Rechtsfehler litt. Aus diesem Anlass geben wir insoweit einen kurzen Überblick über diese aktuelle Rechtsprechung und informieren über die daraufhin eingeführten Neuerungen im Beurteilungssystem im Bereich der Polizei NRW.
Rückblick: BRL Pol 2016 rechtswidrig
Auf die Regelbeurteilungen zum Stichtag 01.06.2017 folgte ein juristischer Donnerhall. Die Verwaltungsgerichte Düsseldorf, Münster und Minden entschieden in mehreren von uns geführten Klage- und Eilverfahren, dass die BRL Pol 2016 rechtswidrig gewesen ist. Die Beurteilungsrichtlinie sah eine Gewichtung der Leistungs- und Befähigungsmerkmale vor. Allerdings gab es keine einheitliche Vorgabe, wie die Gewichtung der Einzelmerkmale erfolgen sollte. Im Zuge der von uns geführten Verfahren stellte sich schließlich heraus, dass es insoweit keine einheitliche Beurteilungspraxis gab: Einige Polizeibehörden gewichteten alle Einzelmerkmale gleich, andere nahmen unterschiedliche Gewichtungen in den verschiedensten Ausprägungen vor.
Es liegt auf der Hand, dass damit gerade Führungsfunktionen nach A 12 und A 13 LBesO NRW, die im Bereich der Polizei landesweit ausgeschrieben werden, vielfach nicht rechtmäßig besetzt werden konnten. Denn die dienstlichen Beurteilungen aus verschiedenen Behörden mit unterschiedlichsten Gewichtungen ermöglichten hiernach schlicht und ergreifend keinen rechtsfehlerfreien Qualifikationsvergleich zwischen Bewerbern aus unterschiedlichen Behörden.
Dass die BRL Pol 2016 rechtswidrig gewesen ist, hat das OVG NRW in einem von uns geführten Verfahren inzwischen zweitinstanzlich bestätigt (Urt. v. 02.12.2019 – 6 A 420/19). Endgültig geklärt ist dies allerdings – noch – nicht: Das Land NRW hat gegen diese Entscheidung Revision eingelegt. Daher wird nun das BVerwG entscheiden.
Ausblick: BRL Pol 2020 verabschiedet
Dennoch hat das Land NRW mit Blick auf den aktuellen Beurteilungsstichtag reagiert. Mit Runderlass vom 14.05.2020 – 403-26.00.05 – hat das IM NRW – gerade noch rechtzeitig – eine Neufassung der BRL Pol erlassen. Im Wesentlichen wurden zwei Neuerungen eingeführt:
1. In Ziff. 8.1 BRL Pol 2020 wird nunmehr klargestellt, dass alle Einzelmerkmale gleiches Gewicht haben. Für die Polizeivollzugsbeamten wird damit insoweit endlich Rechtssicherheit hergestellt.
2. Nach Ziff. 4.3.2 BRL Pol 2020 werden Anlassbeurteilungen in Beförderungssituationen wieder relevant. Im Kontext mit der Turbokommissar-Problematik war das LAFP NRW eigentlich von Anlassbeurteilungen abgerückt. Stattdessen wurden Regelbeurteilungen aus einem früheren Statusamt (z.B. PK, A 9 LBesO NRW) nach erfolgter Beförderung (z.B. zum POK, A 10 LBesO NRW) durch fiktive Absenkungen des Beurteilungsergebnisses vergleichbar gemacht. Dahinter steht die Überlegung, dass sich ein gerade beförderter Beamter im neuen Statusamt zunächst höheren Anforderungen und einer neuen Vergleichsgruppe mit ein schlägigen Erfahrungen stellen muss, so dass grundsätzlich von einer (vorübergehenden) Verschlechterung der dienstlichen Leistungen ausgegangen werden kann.
Die Rückkehr von Anlassbeurteilungen – aber nicht für alle?
Durch Ziff. 4.3.2 BRL Pol 2020 sind nun wieder Anlassbeurteilungen in Beförderungssituationen zu erstellen. Dies gilt einerseits für Fälle, in denen keine aktuelle Beurteilung im derzeitigen Amt vorliegt. Diese Fallkonstellation liegt z.B. vor, wenn ein Polizeivollzugsbeamter wegen der Vollendung des 57. Lebensjahres von der Regelbeurteilung ausgenommen ist und keine Beurteilung beantragt hat. Zum anderen gilt dies für Fälle, in denen der Bewerber nach der letzten Beurteilung befördert worden ist, so dass für ihn keine aktuelle Beurteilung im neuen Statusamt vorliegt.
Diese neue Verfahrensweise leitet das IM NRW aus einer neueren Entscheidung des BVerwG ab (Urt. v. 09.05.2019 – 2 C 1.18). Danach sei die bisherige Verfahrensweise (fiktive Absenkung von Beurteilungen) nicht mehr praktikabel. Zugleich hat das IM NRW mit Begleiterlass vom 15.05.2020 – 403-26.00.05 – vorgegeben, dass in einer solchen Fallkonstellation Anlassbeurteilungen nicht unbedingt für alle Bewerber erstellt werden müssen, sondern nur für den Bewerber, der über keine aktuelle Regelbeurteilung verfügt. Für die anderen Bewerber sollen ihre Regelbeurteilungen herangezogen und mit der Anlassbeurteilung verglichen werden. Das ist rechtlich grundsätzlich möglich. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Regel- und Anlassbeurteilungen an und für sich miteinander vergleichbar sind. Allerdings ist das eine sehr verkürzte Darstellung.
Juristisch gibt es keinen Grundsatz ohne Ausnahme. So verhält es sich auch bei der Vergleichbarkeit von Regel- und Anlassbeurteilungen. In der Rechtsprechung ist ebenso anerkannt, dass der Leistungsvergleich ohne eine ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers (hier: der Bewerber ohne Anlassbeurteilung) möglich bleiben muss. Dies hat das VG Aachen in einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren jüngst im Zusammenhang mit der neuen BRL Pol und den neuen Verfahrensvorgaben des IM NRW bestätigt.
Der pauschale Ansatz des IM NRW, generell auf Anlassbeurteilungen für alle Bewerber zu verzichten, ist danach rechtlich nicht haltbar. Es kommt auf den Einzelfall an, so dass im Zweifelsfall anwaltlicher Rat gesucht werden sollte.
Anfechtungsrecht nicht verlieren!
Es wird oft vergessen, dass Beurteilungen zeitlich nur begrenzt angreifbar sind. Deshalb sollten Sie schon bei Bekanntgabe Ihrer Beurteilung schriftlich den Vorbehalt erklären, diese während des Beurteilungszeitraums anzugreifen, etwa im Rahmen anstehender Beförderungsverfahren oder eines eigenen Klageverfahrens. Absolut sicher sind Sie indes nur, wenn Sie gegen Ihre Beurteilung binnen einen Jahres ab Eröffnung Klage erheben.