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Einstellung in den Polizeivollzugsdienst – Charakterliche Nichteignung muss umfassend aufgeklärt werden

Wer bei einem Dienstherrn seinen Dienst quittiert und die Entlassung beantragt, darf nicht pauschal bei der Bewerbung für den Polizeidienst abgelehnt werden, weil beim früheren Dienstherren ein Disziplinarverfahren anhängig war. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg in einem vom Verfasser betriebenen Verfahren nun entschieden (AZ: 1 Bs 117/12).

Verweis auf früheres Disziplinarverfahren für Ablehnung nicht ausreichend

Im aktuellen Fall hatte sich ein Beamter, der zuvor bei einem anderen Dienstherren tätig gewesen war, um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst in Hamburg beworben.

Der frühere Dienstherr hatte ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet, worauf der Beamte selbst seine Entlassung beantragt hatte. Dem Entlassungsantrag wurde stattgegeben. Das Disziplinarverfahren wurde daraufhin eingestellt, ohne dass es dort zu einer Sachaufklärung der Vorwürfe gekommen war.

Bei der Bewerbung für den mittleren Polizeivollzugsdienst wurde der Bewerber daraufhin wegen Zweifeln an der charakterlichen Eignung unter Hinweis darauf abgelehnt, dass er sich den disziplinaren Ermittlungen „durch Kündigung entzogen“ habe. Die gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe seien deshalb weiterhin ungeklärt. Nach Prüfung des Sachverhaltes sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass es erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Beamten gebe.

Allerdings hatte auch die Hamburger Polizei keine weiteren Aktivitäten unternommen, um die Vorwürfe aufzuklären. Ein Teil der Vorwürfe hatte gleichzeitig strafrechtliche Relevanz. Hier war aber zwischenzeitlich bereits eine Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachtes erfolgt.

Gerichtsentscheid: Charakterliche Eignung nicht hinreichend überprüft

Die Ablehnung erging im konkreten Falle zu Unrecht, wie das Hamburgische Oberverwaltungsgericht entscheid. Die Polizei hätte bei der Einstellung den Sachverhalt des vorherigen Disziplinarverfahrens lückenlos aufklären müssen, um die charakterliche Nichteignung des Bewerbers daraus abzuleiten und die Ablehnung der Bewerbung zu begründen. Zumindest hätte die Behörde gegebenenfalls die Unterlagen über das Disziplinarverfahren bei der früheren Dienstbehörde anfordern und dort gegebenenfalls ergänzend um Schilderung des dem Disziplinarverfahrens zugrunde liegenden Sachverhalts bitten müssen. Ein bloßer Verweis auf das frühere, nicht gänzlich aufgeklärte Verfahren allein sei keinesfalls ausreichend. Im weiteren Verlauf des Verfahrens muss die Behörde nun die versäumte Aufklärung leisten.

Entscheidung eröffnet neue Chancen für Bewerber

Mit dem Beschluss schließt sich das Hamburgische Oberverwaltungsgericht nahtlos einer Reihe vorheriger Entscheidungen an, in denen Einstellungsbehörden die Ablehnung von Bewerbern vorschnell auf die charakterliche Nichteignung stützen, ohne den zugrundeliegenden Sachverhalt hinreichend aufzuklären.

Abgelehnte Bewerber sollten daher nach dieser Entscheidung besonders dann nicht zögern, den Ablehnungsbescheid anwaltlich überprüfen zu lassen, wenn die Ablehnung wegen charakterlicher Nichteignung ergangen ist. Wichtig ist hierbei vor allem schnelles Handeln, da Ablehnungsbescheide mit kurzen Rechtsmittelfristen versehen sind.